17. Specksteinverarbeitung


Ortsbezeichnung: Furi (Uf em Furi)

 

Erste Walliser Industrie

Wir verlassen nun den Weiler Furi und beginnen unsere Wanderung talabwärts, die uns in einer Stunde Fussweg bequem nach Zermatt bringen wird.

 

Ein Fussweg führt hinunter in Richtung ze Chännle mit der grossen Station der Bergbahnen. Nach 40 Metern kommen wir an einer alten Stallscheune vorbei. Die wilden Gwätti, die ausgewitterten Wandbäume und von früheren Arbeitsspuren gekennzeichnete Wandhölzer belegen ein hohes Alter und zeugen vom Zusammenfügen des Bauholzes aus verschiedenen Gebäuden.

 

Auf den taleinwärts liegenden Wiesen verbergen sich Spuren, die auch schon augenzwinkernd als älteste Industrie des Wallis bezeichnet wurden: eine Fabrikation von Gefässen aus Speckstein, die in spätrömischer und mittelalterlicher Zeit in Schwung war. Archäologe Urs Leuzinger berichtet zu dieser aussergewöhnlichen Fundstelle Folgendes:

 

Steinreiches Zermat – Geschirr aus einer Topfdreherei

Giltstein, Lavez oder Speckstein sind synonyme Begriffe für ein talkhaltiges Gestein. Dieses ist so weich, dass man es mit den Fingernägeln ritzen kann, wenn es frisch abgebaut ist. 1966 stiess der Zermatter Hotelier Yvo Biner in der Flur Dossen auf Gletschermühlen sowie einen schmalen höhlenartigen Gang. Dieser entpuppte sich als

Abbaustollen für Giltstein. Mit eisernen Spitzhacken lösten die Bergleute zylindrische Blöcke ab. Die so gewonnenen Rohlinge wurden im Winter mit Schlitten auf das Plateau beim Furi geschleift. Dort befand sich in der Spätantike und im Frühmittelalter (4. bis 8. Jahrhundert) nämlich eine Werkstatt, in der man die Steine zu Gefässen verarbeitete.

 

Über tausend Jahre später hob man auf dem Furi einen Leitungsgraben aus. Dabei kamen Bruchstücke bearbeiteter Giltststeine zum Vorschein. Yvo Biner sammelte viele Halbfabrikate, Abfallstücke und zerbrochene Gefässreste. 2003 gruben ArchäologInnen dann die Fundstelle aus. Neben zahlreichen Produkten der Giltsteinverarbeitung fanden sie eine Trockenmauer sowie eine Feuerstelle. Dazu würde auch ein Wasserkanal gehören, um die Welle der Steindrechslerei anzutreiben. Dieser harrt aber noch der Entdeckung. Das Geschirr aus Speckstein – Becher, Schalen, Schüsseln und Töpfe – war seinerzeit sehr beliebt. Es wird in den spätrömischen Siedlungen und Kastellen zwischen Genfer- und Bodensee gefunden. Mit den Fertigprodukten dieser Manufaktur liegt also ein erster Zermatter Exportschlager vor!

 

Nachdem auf dem Furi bereits 1971 die ersten Stücke von bearbeitetem Giltstein zum Vorschein kamen, folgten hier 1987, 1995, 1996 und 2003 archäologische Untersuchungen. Sie zeigten, dass das Besondere der Fundstelle Furi darin besteht, dass hier vom nahen Abbaugebiet des Giltsteins (auf der Flur Dossen, mit einem Stollen) bis hin zur Werkstatt mit den fertig gedrehten Geschirren die ganze Produktionskette vorliegt. Und vor allem: Zum ersten Mal im Alpenraum gelang es den Archäologen, diese Frühindustrie zu datieren. Die 14C-Daten weisen auf die Jahrhunderte der spätrömischen Zeit und auf das Frühe Mittelalter (4.–8. Jahrhundert nach Chr.). Weitere archäologische Arbeiten würden hier noch Mengen an Material und an Wissen zutage fördern.

 

 

Wir wandern den Weg weiter abwärts, der Station der Bergbahnen entgegen. Beim Restaurant haben wir das Gebiet ze Chännle erreicht.