20. Das alte Fleschenhaus


 

Mehrzweckhaus

In der Senke der Flur Flesche führt der Wanderweg an einem Wohnhaus mit angebautem Wirtschaftsteil vorbei. Zunächst fallen, nebst den wilden Eckverbänden mit Fällkerben, an der Fensterfassade des Erdgeschosses die verschiedenen Dimensionen der Öffnungen auf. Hier lassen sich auf einen Blick drei Generationen von Fenstern beobachten: Links und rechts aussen blieben Fensterpfosten von 37 und 41 cm Höhe stehen. Sie weisen auf ein Wohnhaus des Spätmittelalters, dessen Fensterchen kaum grösser als ein A4-Blatt waren. Aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert trafen wir schon mehrfach kleine Fenster dieser Art – Aussicht aus dem Inneren war kein Thema für die damalige Bevölkerung, die häufig genug draussen arbeitete; die warme Stube im Winter hingegen war ein Argument für möglichst kleine Öffnungen in der Wand. Von einer nachträglichen Vergrösserung der Fensteröffnungen zeugen die Fensterpfosten mit 52 cm Höhe, eine dritte Fenstergeneration ist 73 cm hoch.

 

Gesamthaft wurden dem Erdgeschoss acht Holzproben entnommen, wovon zwei mit Waldkante enden und mit Sicherheit 1476 als Fälljahr bestätigen. Geheizt wurde damals noch mit Öfen, die man aus Feldsteinen aufmauerte und mit Kalkmörtel zusammenfügte und verputzte. Sicher seit der Zeit um 1500 gab es Öfen aus Speckstein. Im Erdgeschoss des Hauses in den Fleschen stand ein Ofen aus dem Jahre 1580, einer der beiden ältesten bekannten Specksteinöfen von Zermatt. Im endenden 20. Jahrhundert baute Yvo Biner den Ofen aus und verwahrte den Frontstein in seiner Giltsteinsammlung.

 

Eine weitere Besonderheit dieses Hauses ist das angebaute Gädi, die Stallscheune. Stall und Scheune, auch Stadel und Speicher sind im Wallis meistens Einzelbauten, die getrennt voneinander im Dorf oder in der Landschaft stehen. Hie und da finden sie sich unter demselben Dach. Wie weiter oben im Falle des Wohnhauses uf m Furi wurde auch hier die Stallscheune erst später an das Haus angebaut. Geplant war nicht von Anbeginn an ein Mehrzweckgebäude, sondern die Topographie oder die Besitzverhältnisse legten der Bauherrschaft diese für die Gegend ungewöhnliche Lösung nahe.

 

 

Labornummern Dendrosuisse 2022: 621425-432 vom 2. August 2022

Koordinate 2 622 704 / 1 094 701 (Wohngebäude)

Parzellennummer GIS 3393, Gebäudenummer 64 (Wohngebäude); die angebaute Stallscheune (GIS 3392) wurde nicht dendrodatiert


Wir verlassen die Geländekammer von Fleschen und begehen wiederum ein steiles Wegstück, das uns hinunter in die nächste Mulde führt. In vier, fünf Minuten Weg erreichen wir sie und blicken auf das Dörflein Zum See: Dunkel gebrannte Wohnhäuser mit fruchtbaren Gärten, Stadeln und Speichern, Scheunen und Ställen, aus denen eine weisse Kapelle heraussticht – ein typisches Walliser Siedlungsbild, das ungeachtet einiger Neubauten den Eindruck von Geschlossenheit wie Einheitlichkeit vermittelt.